Das Gift der Geringschätzung

Zu den wirklich schlimmen Momenten im Leben gehört der, in dem wir erkennen, dass wir besser sind, als andere uns glauben machen.
Es mag klingen, als sei das die größte Erlösung. Aber so ist es nicht. Überhaupt nicht.

Wenn wir die Geringschätzung anderer erkennen, wird uns klar, dass uns lange, viel zu lange, vielleicht über Jahre hinweg, das vorenthalten wurde, was uns zusteht. Das mag Anerkennung sein oder Geld, Dank, die Chance, uns zu entwickeln. Oder ein Lächeln, das nicht kommt, obwohl es kommen sollte.

Ein Mensch, der anderen mit Geringschätzung gegenübertritt, zerstört etwas. Immer. Es ist, als würde er kleine Blumen zertreten. Natürlich können an der gleichen Stelle später neue wachsen. Aber es werden niemals die Gleichen sein. Und die ersten Keime nach der Attacke werden kleiner sein und es schwerer haben.

Ihr erfahrt:

  • Was Geringschätzung anrichtet
  • Was sie mit Stress und Unwohlsein zu tun hat
  • Wie ihr eine Grundlage schafft, euch dauerhaft von ihr zu befreien
  • Wie ihr anderen vorlebt, wie ihr behandelt werden wollt
  • Und warum es manchmal nur den Ausweg mit den Füßen gibt.

Wenn wir die Geringschätzung anderer erkennen, wird uns klar, dass uns lange, viel zu lange, vielleicht über Jahre hinweg, das vorenthalten wurde, was uns zusteht. Das mag Anerkennung sein oder Geld, Dank, die Chance, uns zu entwickeln. Oder ein Lächeln, das nicht kommt, obwohl es kommen sollte.

Diese Erkenntnis MUSS weh tun. Nur dann können wir mit ihr arbeiten. 

Menschen, die anderen die Wertschätzung vorenthalten, machen es sich leicht. Sie spiegeln etwas vor, das nicht ist. 

Sie machen einer anderen Person erfolgreich weiß, das sie nicht mehr wert ist. So halten sie sie klein. In dieser Episode spreche ich darüber, welche Auswirkungen Wertschätzung hat und was verloren geht, wenn sie verweigert wird. Ich spreche über die Mechanismen, an denen ihr die Geringschätzung erkennen könnt. Und ich spreche über konstruktive Lösungen. Gehen ist eine davon, natürlich. Aber eine andere ist es, die Deutung der eigenen Leistung SELBST in die Hand zu nehmen. 

Ich habe so viele Geschichten zur fehlenden Wertschätzung zu erzählen. Eine Freundin von mir arbeitete viele Jahre lang für ein Gehalt, von dem sie kaum leben konnte. Sie wurde nach Arbeitstagen bezahlt und machte regelmäßig Überstunden bis in die Nacht hinein. Und als sie Jahre später den Professional-Status erreicht hatte, mit mehr Gehalt, aber einer fragwürdigen Hierarchie, da überlegte sie, endlich zu gehen. Sie war ehrlich und sprach über ihre Gedanken, bevor sie sie wahr machte. 

Da versuchten ihre Chefs, ihr klar zu machen, dass sie ja woanders gar keinen Job finden könnte. Schon gar nicht in dieser Stadt. Es gäbe ja gar keine Arbeitgeber, für die sie GUT genug sei. 

Okay, das klingt, als hätte ich es mir ausgedacht. Habe aber nicht. Es ist so passiert, so schrägt es klingen mag. Aber meine Freundin hatte dazugelernt, sie ging. Sie hatte Anfragen von Unternehmen, bevor ihre Kündigung öffentlich gemacht wurde. 

Eine andere Freundin fragte nach mehr Gehalt. Der Chef sagte ihr: „Ich kenne deinen Marktwert sehr genau“, – und verweigerte die Gehaltserhöhung. Sie blieb lange. Viel zu lange. Im nächsten Job schätzte man ihre Fähigkeiten und zahlte ihr mehr.

Wir sprechen oft von fehlender Wertschätzung, als sei hier einfach etwas vergessen worden. Aber sie ist auch eine Macht-Methode. Geringschätzung hält Menschen klein.

Und sie ist nicht nur ein berufliches Phänomen:

Taylor Swift singt im neuen Evermore-Album: My love should be celebrated – but you tolerate it. Und ich glaube, dieser Song wird Scheidungen auslösen. Weil viel zu oft in Partnerschaften die Wertschätzung fehlt. Fehlt sie, dann besteht immer die Gefahr, dass wir es irgendwann glauben. Fehlende Wertschätzung ist ein Tropfen eisigen Wassers, der uns nach und nach aushöhlt. Wir können nichts dagegen tun. 

Ich habe euch bei Instagram gefragt, was ihr in Sachen Geringschätzung erlebt habt. In den Erzählungen gab es zwei Säulen, die besonders wichtig waren: die Familie und das Berufsleben. Wir hören mal die erste Geschichte:

Ich habe fehlende Wertschätzung vor allem durch meinen Vater erfahren. Ich bin Landwirt und habe den Hof von meinen Eltern übernommen. Ich habe ihn modernisiert und weiterentwickelt. Und ich will nicht überheblich sein, aber ich habe viel in den Betrieb investiert. Von meinem Vater bekomme ich leider fast nur Kritik und keine Wertschätzung dafür was ich, meine Frau und unsere Kinder leisten und erreicht haben. Sicher man könnte immer noch mehr machen und mehr arbeiten. Aber wir wollen auch was vom Leben haben und nicht nur für den Betrieb da sein.

Es sind genau die Menschen, die uns nahe stehen, die uns mit ihrer Geringschätzung besonders tief verletzen können. Das gilt auch in der Freundschaft – und in der Liebe.

Eine andere schrieb mir von ihrem Mann, der sie erst lange umwarb, mit dem sie Kinder hat und ein Haus, dem sie eine Karriere ermöglichte, während sie zu Hause blieb – und der sie dann für eine andere verließ.

Ich will gar nicht jeden Menschen verurteilen, der die Leistung anderer nicht schätzt, nicht dankt, nicht belohnt. Oder nicht anerkennt. Ignoranz ist eine SEUCHE unserer Zeit. 

Sie resultiert manchmal schlicht aus Überlastung. Wenn eine Person auf ihrer Position gut funktioniert, ist es das einfachste, nicht zu genau auf Potenziale zu achten. 

Veränderung ist bedrohlich, und wer sich wertvoll fühlt, der könnte diese Veränderung anstreben, Verbesserung der eigenen Situation. 

Und dann ist es aus Perspektive des Nehmenden manchmal das einfachste, nicht zu genau hinzuschauen. Das mag ein Chef sein oder der Partner, es könnte in einem Verein passieren oder in Freundschaften. Manche Menschen rutschen in die Rolle der Gebenden hinein. Andere gewöhnen sich daran. Sie nehmen.

Ignorante Menschen können wir uns zurechtlegen. Und das müssen wir auch tun, wenn wir uns von der Geringschätzung befreien wollen.

Aber manchmal ist die verweigerte Wertschätzung ein Machtmittel. Sie ist ein Instrument der Manipulation. Wer Wertschätzung verweigert, spart Geld, Zeit, Energie und Nerven. Menschen kleinzuhalten ist bequem. Angst ist dabei immer eine Methode, wie bei meiner Freundin, der suggeriert werden sollte, sie würde keinen anderen Job in ihrer Stadt finden. 

Hier ist eigentlich etwas sehr spannendes passiert. Die verweigerte Wertschätzung hatte ein Ziel: Sie sollte die Mitarbeiterin an Bord halten. Ihr Teil des Betriebes sollte reibungslos weiterlaufen, denn meine Freundin ist eine Arbeiterin. Sie ackert, sie hängt sich rein. Sie will, dass die Dinge funktionieren und dass am Ende des Tages alles gut aussieht. Und dafür geht sie jeden Weg bis ganz zum Ende. Heute ist sie übrigens in einem anderen Konzern in der gleichen Stadt Führungskraft. Weil sie ihre Energie auch anders nutzen kann, als sich emotional von solchen Manipulationsmethoden zu schützen. 

Eine andere Freundin erzählte mir diese Geschichte: 

Es passierte in meinem Zeitungsvolontariat. Ich war immer schon eine Kandidatin für das Impostor-Syndrom. Was ich erreicht habe, habe ich nur durch Zufall erreicht oder durch die Hilfe anderer, so dachte ich oft. Heute habe ich das besser im Griff – aber in der Ausbildung war es noch präsenter.

In einer Schulung ging es um Kommentare. Ich schreibe gern Kommentare und ich finde sie wichtig. Ich habe damals noch die Meinung vertreten, dass Frauen etwas sagen müssen, um gesehen zu werden. Das habe ich in diesem Seminar aufgeschrieben.

Der Dozent fand den Kommentar super: pfiffige These, starker erster Satz – und ich war stolz.

Abends waren wir auf dem Weihnachtsmarkt und haben noch einmal drüber gesprochen. Da war auch die Ausbildungsleiterin dabei. 

Eigentlich hätte ich sie gern bewundert: In einem verdammt konservativen Haus hat SIE Karriere gemacht. Aber sie mochte mich nicht. Nie.

Da standen wir also, auf diesem Weihnachtsmarkt und sprachen über Frauen und Sichtbarkeit. Ich vertrat meine These – heute sehe ich es übrigens differenzierter. Damals ging es mir darum, dass Frauen LAUTER sein müssen, für sich SELBST eintreten.

Meine Ausbildungsleiterin schaute mich abschätzend an und sagte: Auch DU wirst noch an die gläserne Decke stoßen.

Ich habe mich komisch gefühlt. Ich hatte gerade noch das Gefühl, etwas richtig und GUT gemacht zu haben. Das hatte mir viel bedeutet, es war ein Beleg, dass ich auch Fähigkeiten habe und eben nicht nur von Glück und dem Wohlwollen anderer profitierte. Ihre Kritik hat mich sehr lange beschäftigt.

Die Betreuerin schlägt hier auf zwei Ebenen zu. Sie macht die Arbeit der Auszubildenden schlecht, in dem sie deren Meinung für ungültig erklärt. Obwohl man bei Kommentaren als Ausbilderin vielleicht die Machart kritisieren sollte, nicht aber die Haltung an sich. Und gleichzeitig erklärt sie der Jung-Journalistin, dass auch sie nicht gut genug ist, um durch diese gläserne Decke zu stoßen. 

Ich finde diese Geschichte subtil-bösartig. Und SO klassisch. Wertschätzung wünschen wir uns doch gerade von den Menschen, zu denen wir aufsehen. Manche Menschen haben Macht über andere, schlicht, weil per Definition ihre Meinung zählt. 

Ich habe das auch erlebt. 

Ich halte mich für einen ziemlich kritikfähigen Menschen – ich liebe Kritik, weil ich an ihr wachsen kann. 

Aber immer wieder gibt es Momente, in denen Kritik so vorgebracht wird, dass sie schmerzt. Kritik kann vernichtend sein, wenn in ihr nicht mehr geschätzt wird, was die andere Person gutes leistet.

Und wenn man sich dann wehrt, dann hört man, man solle kritikfähiger werden. 

Ich würde sagen: Die andere Person sollte lernen, besser zu kritisieren. Kritikfähigkeit ist nicht nur eine Frage des würdevollen Empfanges. Sie ist auch eine Frage des angemessenen Vortrags. 

Die Grenze zwischen Kritik und Geringschätzung ist eine feine Linie. Wer als Vorgesetzte oder Geschäftspartner*in diese Linie nicht überschreiten will, der braucht Erfahrung, Menschenkenntnis – aber vor allem den Willen dazu, sich nicht selbst zu produzieren, indem er oder sie andere schlecht macht. 

Geringschätzung ist ein Zustand, in dem wir nicht leben können. Wir können nicht gedeihen. Fehlt die Wertschätzung, dann bekommt die Kreativität keinen Raum. 

Wer etwas erschaffen soll, braucht Mut. Dabei ist es ganz egal, ob es eine neue Idee für die Effizienz einer App geht oder die Abläufe in einem Krankenhaus oder die Organisation des Familienlebens oder – was auch immer. 

Den Mut für neue Ideen finden Menschen nur, wenn sie davon ausgehen können, dass sie geschätzt werden.

Wann immer Menschen die Freiheit zur Entfaltung verweigert wird, verliert die ganze Welt etwas. Ein kreatives Potenzial geht verloren. An jedem Tag, an dem eine Person klein gehalten wird, tut sie etwas nicht, das vielleicht alles ein wenig besser machen könnte.

Ideen und Wertschätzung hängen ganz entscheidend zusammen. Ich habe neulich einen Essay bei Business Insider geschrieben. Mit diesen Worten fing ich an: Anderer Leute Ideen zu verwerfen ist, als würde man in jemandes Haus gehen und dessen Bettwäsche verbrennen. Aus eigener Perspektive möglicherweise manchmal richtig — und trotzdem irgendwie vermessen.

Wertschätzung hat sehr viel mit Ideen zu tun. Unsere Welt besteht aus Ideen. Unsere Kultur ist von Ideen geprägt. Und wir Menschen blühen auf, wenn wir die Ideen, die wir jeden Tag haben, verfolgen können. Nicht alle, das wäre ein bisschen viel. Aber die Ideen, die wir mögen. Das kann im Beruf sein, oder im Haushalt, in der Familie, in der eigenen Lebensplanung. Für die nächste Reise, für ein neues Projekt oder Hobby, vielleicht ein eigenes Geschäft oder nur ein Kleingewerbe – es kann wirklich alles sein. 

Geringschätzung zerstört die Fähigkeit eines Menschen, seine Ideen zu verfolgen. Geringschätzung zerstört Selbstvertrauen. Geringschätzung zerstört Mut. 

Eine der Geschichten, die ich von euch Hörerinnen und Hörern gehört habe, geht so: 

Mein Chef hat mir an einem Mittwochabend Aufgaben gegeben, am Freitag wollte er sie besprechen. Am nächsten Vormittag rief er mich an, war aufgebracht und wollte wissen, warum ich noch nicht fertig war. 

Dann hat er mir ein Zeitlimit von zwei Stunden gesetzt.

Ich habe vor lauter Angst alles stehen und liegen gelassen und unter diesem Druck habe ich es dann tatsächlich geschafft. 

Lob oder Dank bekam ich dafür übrigens nicht. Was blieb, ist die Angst vor seiner Unberechenbarkeit.


So entsteht keine gute Leistung! Es ist lang und breit durch Studien erforscht, dass unter Druck keine Diamanten entstehen. Unter Druck entstehen Organschäden. 

Das passiert durch Stress und die Ausschüttung von Hormonen wie Cortisol, die der Körper auf Dauer nicht aushalten kann. Sie lassen den Blutdruck steigen und stören die Verdauung – Stress verstärkt Stress, wenn ihm nicht begegnet wird.

Geringschätzung ist ein solcher Stress-Auslöser – und gleichzeitig nimmt sie einem Menschen die Fähigkeit, den Stress selbst wieder abzubauen.  

Ein Mensch, der anderen mit Geringschätzung gegenübertritt, zerstört etwas. Immer. Es ist, als würde er kleine Blumen zertreten. Natürlich können an der gleichen Stelle später neue wachsen. Aber es werden niemals die Gleichen sein. Und die ersten Keime nach der Attacke werden kleiner sein und es schwerer haben. 

Begegnet dir jemand mit Geringschätzung, dann musst du etwas tun. Du hast jetzt diesen Moment erlebt, in dem dir einfach klar wurde: Ich bin besser als das.

 Und würde ich hier gut behandelt werden, dann wäre ich sogar NOCH besser. Und ich will meine Energie nicht an diese unbefriedigende Situation verschwenden. 

Also – das waren jetzt meine Gefühle. Aber deine sind ja vielleicht ähnlich gelagert.

Geringschätzung deutet ein Machtgefälle an. Dieses Machtgefälle kann real existieren, zum Beispiel weil eine Person der anderen im Beruf vorgesetzt ist. Oder es kann konstruiert sein – eben durch diese Geringschätzung. 

Existiert das Machtgefälle nicht wirklich, in einer Freundschaft oder Beziehung zum Beispiel, dann ist es jetzt Zeit, etwas daran zu ändern. Sofort stopp zu sagen. Überleg dir, in welchen Momenten du die Geringschätzung spürst. Lass dir etwas Zeit damit, mach dir vielleicht Notizen. Empörung ist angebracht – aber denk daran, dass Wut dich nicht weiterbringt. Geringschätzung ist eine Manipulationsmethode und Manipulatoren können mit Wut wirklich gut umgehen. Sie nutzen sie für ihre Zwecke. 

Mach dir stattdessen einen Plan. Es gilt für alles im Leben: Wenn du etwas erreichen willst, wenn du etwas verändern willst, dann ist es gut, sich vorher zu überlegen, wie du das machst. Was läuft falsch – und wie kannst du das ändern?

Es gibt verschiedene Wege, die ich hier vorschlagen möchte. Sie müssen pauschal sein – konkrete Strategien kann, davon bin ich schon immer überzeugt, jeder Mensch nur für sein eigenes Leben entwickeln. Du bist die Expertin für dein Leben! Glaub daran, vertrau darauf, dass niemand dich so gut kennt, wie du. Und vertrau darauf, dass du, wenn du deine Situation sachlich betrachtest, du einen guten Weg entdecken kannst. 

So, das vorab. Was kannst du also tun?

Zunächst einmal musst du den Gedanken komplexer denken. Du hast also erkannt, dass dir die Wertschätzung fehlt. Du bist besser, als andere dir signalisieren. Jetzt werde konkret: WAS ist besser, als andere sagen? Warum bist du besser? Wann verdienst du mehr, als du bekommst? 

Und was macht das mit dir?

Du könntest dich besser fühlen – und du könntest noch besser sein. Und vor allem könntest du auch mal eine Belohnung bekommen für deinen Einsatz und deine Fähigkeiten. 

Schreib es dir auf. Mit diesen Überlegungen schaffst du die Basis. 

Vielleicht kennst du die Methode des Dankbarkeitstagebuchs. Oder des Glückstagebuchs. Jeden Abend sollen wir drei Dinge nennen, für die wir dankbar sind. Oder Momente, die uns glücklich gemacht haben. Ich habe in meinem ersten Buch, die Entdeckung des Glücks, darüber geschrieben und den neurologischen Wirkmechanismus dahinter erklärt. Kurz gesagt: Befassen wir uns mit den guten Momenten, dann speichern wir sie von Anfang an besser ab. Unsere Wahrnehmung wird darauf trainiert, erhebende Geschichten zu erzählen. 

Beide Methoden sind nach außen gerichtet: Was ist uns Gutes widerfahren? Wenn die Wertschätzung fehlt, wenn du gerade erkannt hast, dass du besser bist, als man dich glauben macht, dann ist es an der Zeit, den Fokus auf dich zu richten. Was hast DU heute gut gemacht? Wem hast du etwas Gutes getan? Und diese Person darfst gern du selbst sein.

Dir bewusst zu machen, was du gut gemacht hast, wird dein Selbstwertgefühl stärken. So kannst du lernen, dir selbst eine gute Freundin oder ein guter Freund zu sein. 

Erst, wenn du treu und in guter Freundschaft zu dir selbst stehst, wirst du Ruhe finden. Das hat zwei Effekte: 

Erstens wirst du dir selbst die Wertschätzung geben, die vorher gefehlt hat. Du wirst feststellen, dass die Wut über das, was dir vorher vorenthalten wurde, abebbt. Die Situation hat sich bis hier hin gar nicht verändert – aber du FÜHLST dich besser. 

Zweitens wird es dir leichter fallen, Wertschätzung einzufordern. Denn du hast dir selbst ja gerade signalisiert, dass du sie verdienst. 

Eine Methode zieht direkt offen in den Kampf: 

Sprich das Problem an. Sag: Ich habe nicht den Eindruck, dass dir klar ist, was ich alles leiste. Ich habe eher den Eindruck, du übersiehst, wie gut ich eigentlich bin. Wie viel ich schaffe und unter welchen Bedingungen. 

Damit zwingst du dein Gegenüber, Position zu beziehen. 

Etwas sanfter gelingt dies in konkreten Situationen. Wenn dir nach einer Leistung das Lob fehlt, dann erwähne es selbst: Das war echt anstrengend heute – aber ich habe es gut hinbekommen.

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Ja, ich weiß. Das tut weh. Schon die Vorstellung, sich selbst zu loben, tut einigen Menschen weh. Aber sich selbst zu loben ist ein Signal an andere. Wer sagt, was er gut gemacht hat, der setzt damit für andere die Messlatte: So behandle ich mich selbst – so will ich von anderen behandelt werden. 

Das beginnt übrigens schon in den kleinen Dingen. Kennst du diese Menschen, die bei jedem Essen, das sie kochen, erst einmal sagen, was alles nicht gelungen ist? Was immer sie tun wird relativiert oder entschuldigt.

Neulich hat mich jemand gefragt, wie es mit dem Berufsstart nach der Elternzeit lief und ich sagte: Man hat es mir leicht gemacht. 

Dabei ist das gar nicht so. Ich habe getan, was alle Selbstständigen nach einer langen Auszeit tun: Ich habe überall rumgefragt, wer gern mit mir zusammenarbeiten möchte. Und ein paar haben Ja gesagt und sich gefreut. 

Dieser Trend zur ständigen Dankbarkeit ist schön und wertvoll – aber Dankbarkeit nach außen ist eben nicht alles. Alle diese Lifestyle-Trends gehen schief, wenn sie auf die Spitze getrieben werden. Weil dann etwas fehlt. Oft genug ist es der entspannte, freundschaftliche Umgang mit sich selbst. 

Dieser Punkt ist mir sehr sehr wichtig: WIE wir mit uns selbst umgehen, so zeigen wir anderen, dass wir behandelt werden wollen. Sind wir also schlecht und selbstkritisch mit uns, dann entspringt das vielleicht diesem unterbewussten Wunsch, korrigiert zu werden. Du wirfst dich selbst zu Boden, in der heimlichen Hoffnung, dass dich jemand aufhebt. Aber was du eigentlich signalisierst, ist: Hier ist mein Platz.

Ja. Das ist hart. Aber die Lösung für dich selbst kannst nur die selbst sein. Die Erkenntnis, dass Wertschätzung von außen fehlt, ist nur der Anfang. Und diese Einsicht wird nicht dazu führen, dass wir Wertschätzung einfordern und dann kommt sie. Das ist kein Dauerzustand. Wertschätzung muss erst einmal von innen kommen – dann haben wir eine Grundlinie geschaffen, an der sich auch andere orientieren können. 

Und wenn sie das nicht tun?

Tja nun. Wir können andere Menschen nicht ändern. Wir können nur uns selbst ändern. Und wenn wir uns selbst verändert haben, eigene innere Wertschätzung gelernt haben, und andere Menschen damit nicht umgehen können.

Dann müssen wir gehen. 

Es wird diese Menschen geben. Für sie ist die Veränderung unbequem.

Aber dann können wir denen nicht helfen. 

Ich hoffe, diese Episode zur Geringschätzung gibt dir ein gutes Gefühl. Mir ist wichtig, dass du deine eigenen Leistungen anerkennst. Ohne Scham. Steh zu dir, du hast etwas geschafft. Wir schaffen jeden Tag etwas, mal kleine Dinge, mal große, mal für andere, mal für uns selbst. Uns selbst dürfen wir dafür dankbar sein. Mit dieser Selbst-Dankbarkeit legen wir die Grundlage dafür, dass auch andere erkennen, welche Wertschätzung wir erwarten und welchen Respekt. 

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Franziska Kurz‘ Show heißt Weltbild liest, in unserer gemeinsamen Episode ging es um Respekt.

Mein Essay bei Business Insider über das Ideen-Management und wieso es so wichtig ist, dass Ideen geschätzt werden: „Anderer Leute Ideen zu verwerfen ist, als würde man in jemandes Haus gehen und dessen Bettwäsche verbrennen. Aus eigener Perspektive möglicherweise manchmal richtig — trotzdem irgendwie vermessen.“


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